Ausschnitt aus der Monroyschen Karte von 1733
Die Gertrudenkapelle wurde erstmals 1430 als vor der Stadt gelegene Kirche für Kranke und Pilgernde erwähnt. Um sie herum lag der der Gertruden-Kirchhof. Der einschiffige Bau verfügt nicht über ein Gewölbe, sondern besitzt eine flache Holzdecke. Die Seitenwände bestehen aus einem Fachwerkrahmen der nur mit Backstein verblendet ist. Im 18. Jahrhundert wurden entlang der Friedhofsmauer einige Mausoleen erbaut, die zum Teil erhalten sind. Nachdem dieser Friedhof aufgegeben wurde, verfiel auch die kleine Kirche. Bereits 1820 fehlte die Kanzel und seit 1856 war sie insgesamt in keinem guten Zustand mehr. Um 1928 kaufte die Stadt Güstrow das Anwesen von der Kirchenverwaltung. Aber erst nachdem die NSDAP auch in Güstrow an die Macht kam, begann man ab Ende der 30er Jahre mit einer radikalen Restaurierung. Das Dach wurde völlig neu aufgebaut und auch die Westfassade abgerissen und neu aufgemauert. Die Reste der Renaissance-Wandmalereien (Ranken und figürliche Darstellungen) wurden dabei weitgehend zerstört oder übermalt. Man richtete dort eine nationalsozialistische Ahnenhalle ein. Im Inneren befand sich nun an der Westwand eine Hitlerbüste unter einem Sonnenkreuz. Vor der Ostwand stand ein massiver Eichentisch mit Stühlen und an den weissgetünchten Wänden waren Tafeln mit den Namen der ältesten Güstrower Geschlechter angebracht. Nach Kriegsende blieb die Kapelle zunächst ungenutzt; erst 1953 baute man das Gebäude zu einer ersten Gedenkstätte für den von den Nazis verfolgten Bildhauer Ernst Barlach (1870-1938) um, der lange Jahre in Güstrow gelebt hatte. Im Obergeschoß entstand eine kleine Wohnung für Barlach's langjährige Lebensgefährtin Marga Böhmer (1887-1969). Seit 1994 gehört das Gelände zur Ernst-Barlach-Stiftung, die dort und in seinem Atelierhaus am INSELSEE seine Werke ausstellt und seinen Nachlass verwaltet. 2006/2007 wurde die Kapelle grundhaft saniert. Dabei wurde auch ein Feld mit einer Wandmalerei restauriert. 2008/2009 wurde die Anlage durch einen Besucherpavillon mit Sanitärräumen und Shop ergänzt.
Karte von 1921