- Berthold Kegebein, Fotograf, Güstrow
Am 23. Mai 1894 wird Berthold Alex Carl Kegebein als zweites Kind des Bäckers Hermann Kegebein (1861-1923) und seiner Frau Auguste Warncke (1861-1949) in Güstrow geboren. Für Auguste ist es die zweite Ehe. Zuvor war sie mit dem Tischler Friedrich Kegebein (einem Bruder von Hermann) verheiratet, der aber 1889 an Schwindsucht starb. So gehören laut der Volkszählung im Jahre 1900 zur Familie im Grünen Winkel 24 aus der ersten Ehe die Kinder Otto (1885 - ?) und Rudolf (1887 - ?) und aus der zweiten Ehe die Kinder Meta (1890-1901) und Berthold. Der Vater ist zu dieser Zeit Fabrikarbeiter und die Mutter arbeitet als selbständige Weißnäherin. Bei Otto Kegebein ist als Beruf Photografenlehrling vermerkt. Vielleicht war es Otto, der seinem jüngeren Halbbruder dieses Gewerbe näher brachte und den Berufswunsch auslöste? Otto Kegebein betrieb später von 1914 bis mindestens 1939 eine Lichtbildwerkstatt in Altenburg in Thüringen. Sein Bruder Rudolf wird Schlachtermeister in Güstrow. Berthold erlernte den Beruf eines Fotografen im Atelier des alteingesessenen Hofphotografen Hermann Lorenz am Pferdemarkt 32. Im I. Weltkrieg kämpft er mit dem Mecklenburgischen Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 90 an der Westfront. Im Mai 1917 wird er leicht verwundet. Dabei verliert Berthold dauerhaft das Gehör auf dem rechten Ohr. Trotzdem muß er wieder an die Front und gerät im November 1917 bei Cambrai in Nordfrankreich in Gefangenschaft. Im Mai 1919 kehrt Berthold Kegebein aus Frankreich nach Güstrow zurück. Kurz darauf macht er sich selbstständig und eröffnet in der Schulstraße 4 sein eigenes Fotoatelier. Das Haus hatte sein Vater, der inzwischen als Wächter im Landesfürsorgehaus arbeitete, 1912 erworben. Da es sich dabei eigentlich um ein Wohnhaus handelte, wurde das Fotoatelier in einem Hofgebäude eingerichtet. Es wurde später mit Atelierfenstern ausgestattet. Die übrigen Fotoarbeiten fanden wohl in den Zimmern des Vorderhauses statt. Später zog der Fotograf mit seinem Atelier dort in die 1. Etage. Für die Außenwerbung sorgte zunächst ein einfaches Schild über der Eingangstür. Erst später kam links noch ein kleiner Schaukasten dazu.
Hinterhofgebäude der Schulstrasse um 1919
Mit wachsendem Erfolg des Geschäftes wurde das einfache Schild durch einen fünfeckigen Leuchtkasten mit dem Schriftzug: "Foto-Atelier Berthold Kegebein" ersetzt. In dieser Zeit dürfte Kegebeins Haupteinahmequelle aus privaten Aufträgen für Passbilder, Porträts und Familienfotografien bestanden haben. Er lieferte aber auch Vorlagen für Fotopostkarten zu Werbezwecken und ließ diese auch drucken. Unter anderem fotografierte er für die Pächter des Fremdenhof "Stadt Hamburg" in der Langen Strasse, des Restaurant "Tivoli" in der Tivolistraße und des Lokals "Neue Welt" an der Plauer Chaussee. Aber auch dörfliche Kolonialwarengeschäfte wie in Siemitz und Kritzkow beauftragen Kegebein mit der Erstellung von Fotopostkarten. Inzwischen hatte Berthold Kegebein im Oktober 1921 die in Güstrow geborene Putzmacherin Elsa Iben (1897-1964) geheiratet. In den folgenden Jahren kamen 4 Töchter zur Welt. Anfang der 1920er Jahre kam Berthold Kegebein dann mit Ernst Barlach in Kontakt. Obwohl Barlach der fotografischen Wiedergabe seiner Objekte eher skeptisch gegenüber stand, konnte sich Kegebein zu seinem bevorzugte Werkfotografen entwickeln. Er versuchte keine fotografische Neuinterpretation der Kunst Barlachs und vermied es, seine Fotos durch besondere künstlerische Effekte aufzuwerten. Barlach schätzte diese schlichte Arbeitweise des Güstrower Fotografen. Und so entstand eine große Zahl von Werkaufnahmen der Skulpturen und Mahnmäler. Zudem fotografierte Kegebein auch Barlach selber. So zählen die Fotos aus dem Jahr 1934 vor der Gertrudenkapelle zu den bekanntesten Porträts des Künstlers. Auch private Aufnahmen von Barlach und Marga Böhmer oder anderen Besuchern entstehen nebenbei. Seit Anfang der 1930er Jahre zeigte sich auch eine andere Leidenschaft von Berthold Kegebein: neben dem alltäglichen Geschäft im Fotoatelier widmete er sich zunehmend der Fotografie von Stadtansichten und Landschaften. Der Fotograf wurde zum Chronisten der Bauarbeiten in der Stadt Güstrow. Er fotografierte historische Gebäude, dokumentierte manchmal deren Abriß oder Umbau und lichtete immer wieder die Neubauten seiner Zeit ab. Schon bald hieß es unter den Bauleuten der Stadt, bevor man damit begann ein Haus niederzureißen: "War denn Kegebein schon da?" Eine besondere Beziehung hatte er zu den Bauaufträgen und Arbeiten seines Cousin 2. Grades, des Architekten Adolf Kegebein (1894-1987). Der gemeinsame Urgroßvater, Friedrich Kegebein, war Gastwirt in Hohen Sprenz. Von den Neu- und Umbauten Adolf Kegebeins finden sich besonders viele Aufnahmen im Nachlaß des Fotografen. So entstehen unter anderem zahlreiche Innen- und Außenaufnahmen des Atelier- und Wohnhauses für Ernst Barlach am Inselsee. Aber auch die Bauten anderer Architekten begleitete er fotografisch: so den Bau der Kongresshalle, den Ausbau des Schlachthofes, den Neubau der Landesbauernschaft am Wall oder der Knabenvolksschule in der Hafenstraße. Zum Teil entstehen ganze Bilderserien. Aber er dokumentierte auch Anderes: zum Beispiel Pflasterarbeiten in der Neukruger Straße, den Bau der Eisenbahnbrücke in Priemerburg oder den Bau einer Straßenbrücke am Rosengarten. Besonders interessant sind die Fotografien von der Entkernung der Gertrudenkapelle während des Umbaus zur nationalsozialistischen Ahnenhalle. Kegebeins Aufnahmen zählen zu den wenigen Dokumenten von der ursprünglichen Ausmahlung der Kapelle. Aber er geht auch hinaus in die Natur. Kegebein fotografiert die mecklenburgische Hügellandschaft mit ihren Seen, Feldwegen und Dorfkirchen. Außerdem entstehen in den 1930er Jahren eine größere Zahl Fotografien von Objekten aus dem Museum der Stadt Güstrow. Kegebein fotografiert Gemälde, Landkarten, Skulpturen, Textilien und anders. Ob es sich dabei um einen offiziellen Auftrag handelte lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. In dieser Zeit entstehen zudem einige fotografische Stillleben. So arrangiert er für einige Fotos Vasen und Keramiken oder Bücher. Auch christliche Objekte werden zum Fotomotiv, alles eventuell für die Gestaltung von Gruß- oder Glückwunschkarten zu Feiertagen. Nach Barlachs Tod 1938 ist Berthold Kegebein an den ersten Arbeiten am Nachlaß unter Friedrich Schult beteiligt. Er fertigt eine große Zahl dokumentarischer Aufnahmen der Zeichnungen, Entwürfe und Texte an, vielleicht schon als Vorarbeit für einen zukünftigen Werkkatalog gedacht. Anfang der 1940er Jahre wird Kegebein jedoch erneut zum Wehrdienst eingezogen. Diesmal dient er bei der Marine. Erst ein Jahr nach Kriegsende kehrt er aus englischer Gefangenschaft zurück nach Güstrow. Er widmet sich wieder seinem Fotogeschäft. Der Kunst Barlachs blieb er jedoch verbunden. So entstehen bereits 1948 Aufnahmen einer ersten Sonderaustellung in Güstrow. 1951 werden 142 Aufnahmen von Kegebein für einen Katalog zur Barlach-Ausstellung der Akademie der Künste verwendet. 1960 fotografiert er die nun in der Getrudenkapelle eingerichtete Ausstellung mit Werken von Barlach. Ein anderer Teil seiner Arbeit nach 1945 war die fotografische Illustration der Werke des Güstrower Pastors Gerhard Bosinski (1911-1985). Besonders bekannt und in mehreren Auflagen herausgebracht wurde der Band "Dom des Nordens", der sich der Geschichte und Ausstattung des Güstrower Doms widmet. Kegebein fertigte auch in anderen Museen und Kirchen Fotoserien, die in Büchern und Kalendern Verwendung fanden. Etwa 1970 gab Berthold Kegebein dann sein Fotogeschäft aus Altersgründen auf. Er starb am 24. Dezember 1977 in Güstrow.
Basierend auf einem Beitrag für das Güstrower Jahrbuch 2019
Eintrag im Adressbuch Güstrow, 1927
Studiophotografien